Planlos

„Von einem gewissen Punkt an gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu erreichen.“
– Frank Kafka

Wenn ich einen Test zu Persönlichkeitstypen mache, dann kommt bei mir in der Regel – auch wenn sich die Typenbezeichnungen unterscheiden – immer ein ähnliches Ergebnis: Ich bin ein stark ausgeprägter Planertyp, der Analytiker, der sich gerne auch mal im Detail verliert – nur um des Planes Willen natürlich.

Ich möchte diese Persönlichkeitsklassifizierung auch gar nicht bestreiten, denn ich habe gerne einen Plan.
Ein Plan gibt mir Sicherheit. Er zeigt mir, welcher Schritt als nächstes kommen soll. Ein Plan schafft für mich Struktur und lässt mich das große Ganze besser überblicken.
Wenn ich keinen Plan habe, dann verzettele ich mich leicht, weil ich dann zu viele Dinge auf einmal machen möchte.
Aber wenn ich einen Plan habe, dann kann ich besser eine Sache nach der anderen machen und werde nicht ständig von der Angst geplagt, dass ich doch noch was vergessen könnte.
Ich mache auch gern Pläne (wie z.B. meine Wochenendaufgabenliste oder meinen Trainingsplan). Alleine der Prozess des Planens erzeugt bei mir ein Gefühl der Ruhe und lässt mich in dem Glauben, alles im Griff zu haben.

Das trügerische am Planen ist aber, dass man auch einen Plan machen kann, ohne ein ganz konkretes Ziel vor Augen zu haben.
Man kann einfach einzelne Schritte oder Aufgaben aneinanderreihen, in der Hoffnung, dass das Ziel, an dem man am Ende rauskommt, sich als richtig erweist.
Nur leider ist genau das eben nicht garantiert, so sinnvoll und vernünftig einem die einzelnen Schritte auch vorgekommen sind, die man auf dem Weg gegangen ist.
Das ist so, wie wenn man eine Reise plant und sein Reiseziel nur wie folgt konkretisiert: Es muss warm sein und ich möchte eine außergewöhnliche Natur erleben. Diese Beschreibung trifft sowohl auf die Sahara als auch auf den Amazonas zu. Man beginnt also mit der Planung, man wählt auf Basis diese 2 Kriterien ein Reiseziel aus, z.B. den Amazonas, bucht Flug und Unterkunft, eignet sich noch etwas Wissen zu Land und Leute an, plant die Reiseroute, bucht Unterkünfte und macht sich auf den Weg. Im Amazonas angekommen wundert man sich dann, dass es einem dort so gar nicht gefällt, weil man die hohe Luftfeuchtigkeit nicht erträgt und sich vor den vielen Krabbeltiere ekelt. Und man fragt sich: “Hey, ich habe doch alles richtig geplant und vorbereitet, warum gefällt es mir denn hier nicht?”

In genauso einer Situation befinde ich mich gerade. Nur dass es leider nicht nur um einen missglückten Urlaub geht, sondern um meine Berufswahl.
Ich hab es hier auf dem Blog noch nie konkret angesprochen, dass ich mit meinem Beruf nicht so zufrieden bin, wie ich das gerne möchte, sondern nur Teilaspekte, wie z.B. die Reisetätigkeit, thematisiert. Doch in meinem ersten Post zum Thema Veränderung (“Mut”) ging es genau darum.
Auch wenn ich mittlerweile akzeptiert habe, dass ich meinen Traumberuf noch nicht gefunden habe, so war es genauso wichtig, zu reflektieren, wie ich überhaupt in diese Situation geraten konnte. Und ein entscheidender Faktor war eben auch, dass ich geplant habe, ohne ein konkretes Ziel zu haben.

Nachdem ich mit der Schule fertig war uns das Abi in der Tasche hatte, da war für mich ganz klar, dass ich gleich mit dem Studium weitermachen möchte. Eine Auszeit kam für mich nicht in Frage, es musste sofort weitergehen. Die Auswahl des Studiums war keinesfalls willkürlich. Ich habe Berufswahltests gemacht, um herauszufinden, wo meine Stärken und Schwächen sind und welche Berufe zu meinen Stärken passen würden. Anschließend war es für mich wahnsinnig wichtig, etwas zu studieren, mit dem man nachher gute Aussichten auf einen anständigen Beruf hat, wo man auch gutes Geld verdienen kann – denn, wofür sollte ich den sonst studieren, wenn ich danach nicht auch die Aussicht auf einen Job mit attraktivem Gehalt hätte???? Das Studium sollte dann auch unbedingt BWL beinhalten (weiß Gott warum ich das damals dachte, denn toll finde ich BWL bis heute nicht), aber nicht nur. Denn nur BWL ist ja langweilig. Studiert habe ich dann Informationswirtschaft, weil sich die Studiengangsbeschreibung so zukunftsweisend angehört hat. Und das war es dann auch schon mit meinen Zielen hinsichtlich Berufswahl: Ich studiere was Vernünftiges, was zu meinen Stärken passt, um danach gute Chancen auf einen anständigen Job zu haben.
Doch habe ich eine entscheidende Zutat vergessen: Ich habe bei der Richtungswahl in Sachen Karriere und Beruf völlig außer Acht gelassen, zu erforschen, was mich denn wirklich interessiert und mir Spaß machen könnte. Das war mir aber auch überhaupt nicht klar. In der Schule konnte ich für fast jedes Fach Interesse aufbringen. Leicht vielen mir alle Naturwissenschaften, aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, diese Richtung einzuschlagen. Ich wollte eine Zeit lang einen kreativen Beruf wählen – aber als Grafikdesigner waren die Berufsaussichten ja so schlecht.
Komischer Weise habe ich damals schon immer gesagt: “Wenn Geld keine Rolle spielen würde, dann würde ich Kunstgeschichte studieren.” Hätte ich das vielleicht mal besser gemacht….

Ich bin dem Irrglauben auf den Leim gegangen, dass es ausreicht, wenn ich mir etwas suche, was zu meinen Stärken passt und wo ich dann auch noch gut verdiene. Ich war der Meinung, dass sich der Rest für mich dann automatisch ergeben würde, ich automatisch meinen Traumjob finde und glücklich bin. Immerhin habe ich doch alles nach Plan gemacht und es waren doch so vernünftige Entscheidungen, oder?
Es hat wirklich einige Zeit gedauert, bis ich gemerkt habe, was schief läuft. Ich hatte schon seit längerem so ein komisches Gefühl bezüglich meiner Arbeit. Irgendwie hatte sie mir nur selten die Erfüllung gegeben, die ich mir erhofft hatte. Auch wenn ich genügend Leistung gebracht hatte, sodass man mit meinen Ergebnissen sehr zufrieden war, hatte ich häufig das Gefühl: “Wie, das war’s jetzt? So soll es sich also anfühlen, wenn man seinen Traumjob hat???”
Lange habe ich geglaubt, dass es an mir liegt, dass ich diejenige bin, die falsch gepolt sein muss, bei der was nicht ganz richtig läuft. Ich müsste mich nur mehr anstrengen, mehr motivieren, noch proaktiver sein. Denn der Beruf hört sich doch so super an, oder? Und andere blühen darin total auf!!!! Nur ich nicht.
Die Zeit in Wolfsburg, wo noch als erschwerender Faktor die Reiserei dazu kam, hat für mich trotz der Last, die ich zu tragen hatte, auch viel Klarheit gebracht. Erst in dieser Zeit habe ich gelernt zu akzeptieren, dass mein aktueller Beruf nicht das richtig ist für mich, auch wenn er sich auf dem Papier so toll anhört und er gut zu meinen Stärken passt. Ich habe gelernt, dass ich meinen Beruf langfristig nicht nur auf das Geldverdienen reduzieren kann, sondern dass ich auch mit meinem Herz dabei sein muss und mich die Leidenschaft dabei packt.
Aber das wichtigste, das ich gelernt habe, ist zu akzeptieren, dass es auch völlig in Ordnung ist, wenn ich mal keinen Plan habe; dass es völlig in Ordnung ist, dass ich jetzt zwar weiß, dass das eine nicht das Richtige für mich ist, ich aber jetzt noch nicht sofort wissen muss, was denn das Richtig für mich ist.

Ich muss nur eines wissen: Dass der Schlüssel zur Wahrheit schon in mir ist; dass irgendwo tief in mir schon das Wissen ist, das ich brauche, um meinen Weg zu finden. Ich muss “nur” die Schranken, die ich mir selber durch Ängste, selbstauferlegte Verpflichtungen und scheinbare Erwartungen anderer setze, durchbrechen, sodass meine innere Stimme völlig frei sprechen und ich ihr aufmerksam zuhören kann.

4 Comments

  • Liebe Julia,
    gerade habe ich dir eine persönliche Email geschrieben, aber ich möchte dir hier an dieser Stelle zu diesem Post unheimlich gern eine Buchempfehlung geben, denn ich befinde mich genau in der gleichen Situation. Deine Worte oben könnten auch echt meine Worte sein…
    Ich habe vor einiger Zeit durch Zufall die Bücher von Barbara Sher entdeckt und genau passend fand ich zwei: "Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste, was ich will" und "Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast". Ich habe mich sehr stark in beiden Büchern wiedergefunden.
    Vielleicht kennst du sie sogar schon oder magst sie auf Grund meiner Empfehlung mal lesen..
    Liebe Grüße Kristin

  • Liebe Kristin,
    vielen Dank für deinen lieben Kommentar! Es tut wirklich gut zu sehen, dass ich mit dieser Situation nicht alleine bin. Da das Ganze sich ja hauptsächlich in meinem Kopf abspielt und nicht so richtig greifbar ist, neige ich schon ab und an dazu, an mir zu zweifeln – so nach dem Motto: Das bildest du dir alles nur ein.
    Das Buch "Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste, was ich will" liegt auf meinem Nachttisch (sogar schon eine ganze Weile). Ich habe angefangen, darin zu lesen, bin aber noch nicht weit gekommen. Ist ja nicht nur eine Nachtlektüre, sondern eher ein "Arbeitsbuch". Ich sollte mir vielleicht doch die Zeit nehmen, es durchzuarbeiten. Das andere Buch muss ich mir mal anschauen.
    Wie bist du mit den Büchern zurecht gekommen? Konntest du wirklich Erkenntnisse erlangen, die dir weitergeholfen haben?

    Liebe Grüße
    Julia

    PS: Eine E-Mail habe ich leider noch nicht von dir bekommen…..

  • Liebe Julia,
    hm dann hat das mit meiner Mail wohl nicht geklappt. Ich gebe sie dir mal hier, du kannst sie ja wieder rauslöschen, wenn du sie gelesen hast: kristinwoltmann@hotmail.de
    Ich habe das Scanner-Buch komplett durchgearbeitet und das andere Buch Kapitel 1-4. Ich habe mich sofort im Kapitel mit den Widerständen und dem "Sicheren Hafen" wiedergefunden.
    Es war wie ein Schlag! Ich bin eben ein sehr sicherheitsorientierter Mensch und habe von zuhause aus gelernt, dass man immer einen Plan haben muss (Zielstrebigkeit).
    Bisher habe ich auch so gelebt. Aber seit ich mit meinem Master fertig geworden bin, bin ich planlos und fühle mich so, als wenn ich noch eine andere "Bestimmung" haben müsste, weil mich mein Job nicht so happy macht, wie ich immer gedacht habe.
    Schau mal in meinem neuen Blog http://www.selbstbewusstleben.blogspot.com unter Selbstfindung. Dort habe ich es noch ausführlicher beschrieben.
    Als ich deinen Post hier gefunden habe, habe ich mich total erleichtert gefühlt. Es ist schön zu lesen, dass es auch andere Menschen gibt, denen es so geht. Denn man muss ja auch sagen, dass es nicht nur schlecht ist, dass wir uns so viele Gedanken machen. Viele Menschen leben ihr ganzes Leben lang ein Leben, indem sie nicht glücklich sind. Wir sind da anders, Julia! 🙂
    Kennst du das Prinzip des Erfolgsteams von Barbara Sher? Ich könnte mir gut vorstellen, dass so ein Team sehr dabei hilft, seinen eigenen Weg zu finden und dann schließlich auch zu gehen.
    Ich würde es schön finden, wenn wir im Austausch bleiben. Ich glaube, das könnte uns beiden sehr weiterhelfen…
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
    Kristin

  • Habe mir das Buch soeben auf Amazon gekauft. Bin in der gleichen situation. Um die 30, mein Lebenslauf hoert sich gut an – studiert in schweiz, arbeit in Barcelona und nun Hong Kong…aber…etwas fehlt. Ich glaube auch dass ich tief im inneren weiss was ich will …. aber irgendwie komm ich nicht dran. wenigstens habe ich in den letzten jahr auch die einleuchtung gehabt dass das gehalt nicht alles ist. eventuell eine umschulung…aber…mit 30…da sollte man eigentlich laengst wissen was man will – aber…je mehr ich mich umhoere…. keiner weiss es wirklich!
    danke fuer den beitrag!

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