Ein neues Körpergefühl

Die letzten zweieinhalb Monate waren für mich eine wirklich aufregende Zeit – im positiven wie im negativen Sinn.
Ende August/Anfang September hatte ich das Gefühl, so richtig am Boden zu sein. Ich war das bestimmt schon davor eine ganze Weile, doch habe ich es erst dann so richtig zugelassen, mich so zu fühlen, wie es mir wirklich ging: kraftlos und unendlich erschöpft. Auch wenn ich die Gefühle nun zuließ, akzeptieren konnte ich es trotzdem nicht so richtig. Ich war noch in meinen alten Mustern von “Ich muss” und “Ich sollte”, wie z.B. “Ich muss jetzt noch mehr auf meine Ernährung achten, damit ich nicht zu viel esse.” oder “Ich sollte auf jeden Fall genügend Sport machen, jetzt, wo ich den Rest des Tages so wenig Bewegung bekomme.” Ich dachte auch, dass es doch wohl ausreichen sollte, nachts 8 Stunden zu schlafen, und dass ich doch morgens recht früh aufstehen sollte, damit ich was vom Tag hatte. Natürlich war das Gegenteil der Fall: Der Versuch aufzustehen, obwohl ich noch todmüde war, hat mich noch mehr in einen wandelnden Zombie verwandelt.

Ich habe mich körperlich richtig krank gefühlt.
Ich konnte einfach nicht auf meinen Körper hören.
Ich konnte einfach nicht loslassen und darauf vertrauen, dass mein Körper weiß, was er gerade braucht und was gut für uns ist.
Natürlich hat er mir ganz klare Signale geschickt, um mir genau das zu zeigen: Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe.

Ich habe Anfang September damit begonnen, das Buch Body Blessing zu lesen, von dem Sue so geschwärmt und mir schon viel erzählt hatte.

 
Für mich war es in meiner Situation ein Geschenk des Himmels, denn es hat mir aufgezeigt, dass es nie falsch sein kann, auf die Signale seines Körpers zu hören. Ganz im Gegenteil: Es ist IMMER richtig, dies zu tun, doch leider haben die meisten von uns – mich eingeschlossen – es verlernt. Wir machen es erst dann, wenn der Körper die Notbremse zieht und wir z.B. krank werden oder eine ganz schlimme Migräne bekommen. Ich möchte jedoch gar nicht so sehr darauf eingehen, über was die Autorin Sabrina Fox in diesem Buch alles schreibt, sondern eher, was es in mir bewirkt hat. Nur so viel sei gesagt: Es ist ein tolles Buch, das wahnsinnig persönlich und liebevoll geschrieben ist.

Ich war eigentlich der Meinung, dass ich meinen Körper ganz gut behandle und auch ein gutes Körperbild habe. Immerhin ernähre ich mich gut, mache Sport und finde meinen Anblick im Spiegel ganz gut. Ich habe akzeptiert, dass bestimmte Ideale, die ich früher erreichen wollte, einfach nichts für mich sind und bin erstaunt, was mein Körper so alles leisten kann. Doch würde ich nicht behaupten, dass ich für meinen Körper tiefe Liebe und Dankbarkeit gespürt habe. Speziell in den letzten zwei Jahren habe ich hauptsächlich eins von meinem Körper erwartet: Dass er funktioniert. Ich habe ihn gefordert, was sich natürlich oft gut angefühlt hat. Aber ich habe allzu oft seinen Ruf nach Ruhe ignoriert. Beim Lesen von Body Blessing ist mir das immer bewusster geworden.
Ich habe meinem Körper nicht dafür gedankt, wenn er mir gezeigt hat, dass er lieber einen ruhigen Spaziergang als das Tempotraining gemacht hätte. Sollte er an einem Tag unvorhergesehen nach einer Pause verlangt haben, dann nahm ich mir natürlich fest vor, am eigentlich geplanten Ruhetag die versäumte Trainingseinheit nachzuholen. Doch nun gab ich bzw. mein Ego, inspiriert durch Body Blessing, einfach nach. Ich hatte damit begonnen, immer öfter in meinen Körper hineinzuhören und zu spüren, was ihm guttun würde. In den ersten Septemberwochen war das meistens Schlafen und Ausruhen. Meine Batterien waren so leer, dass ich trotz vielen Schlafens fast jeden Tag total erschöpft aufgewacht bin. Aber das sollte nun mal so sein. Gleichzeitig habe ich damit begonnen, alle äußeren Stressfaktoren zu eliminieren und nur das zu tun, was sich gerade gut anfühlt. Ich habe gegessen, wenn ich Appetit hatte, ich habe Sport gemacht, wenn ich dazu Lust hatte, und mich ausgeruht, wenn es notwendig war. Ich bin immer mehr in den Einklang mit meinem Körper zurückgekehrt und siehe da, es ging mir merklich besser. Ich war total erstaunt zu sehen, wie sich mein Körper selbst regulierte, ohne dass ich mit meinem Ego nennenswert eingreifen musste. Ich habe automatisch weniger gegessen, da ich ja auch weniger aktiv war. Mein Körper verlangte nach Bewegung, aber eben nicht immer nach einer intensiven Sporteinheit, sodass ich seitdem oft spazieren gehe. Und wenn ich einfach akzeptiere, dass an vielen Tagen eben nicht so viel geht, wie ich das von früher gewohnt bin, freue ich mich viel mehr über das, was ich schaffe.

Ich bin achtsamer und verständnisvoller für meinen Körper geworden. Ich fühle jetzt, dass mein Körper es nie böse mit mir meint oder mich für etwas bestrafen will. Er zeigt mir einfach nur, was er gerade braucht, was ihm guttut und was ihm nicht guttut. Natürlich kann ich v.a. die unangenehmen Signale eine Weile ignorieren, aber ich helfe mir damit keineswegs und ich beweise dadurch auch keine Stärke. Am Anfang braucht das alles ein bisschen Übung und man denkt vielleicht “Ist das jetzt wirklich Ruhe, die mein Körper braucht, oder ist das mein innerer Schweinehund, der sich da zu Wort meldet.”. Aber die Stimme des Körpers wird immer klarer und man kann die Zeichen immer besser deuten. Für mich bedeutet das z.B. zur Zeit, dass ich mir nur noch ganz selten etwas bestimmtes in Sachen Sport vornehme und an den meisten Tagen spontan entscheide, was ich mache. So spontan sogar, dass ich mir nicht einmal morgens etwas bestimmtes für den Tag vornehme. Natürlich weiß ich, wenn z.B. abends ein Body Pump- oder Spinning-Kurs ansteht, aber ich entschließe mich oft erst kurz davor, ob ich gehe oder nicht (beim Spinning bedeutet das, dass ich mir zwar einen Platz reserviere – das muss man in meinem Fitnessstudio – , welche ich dann wieder absage, wenn ich nicht gehen möchte). So komme ich dann doch fast jeden Tag zu irgendeiner Form von Bewegung und genieße auch die Tage, an denen ich wirklich total faul bin und mir, meinem Körper und meiner Seele absolute Ruhe gönne.

Ich weiß, dass ich gerade in einer sehr außergewöhnlichen Situation bin, in der ich sehr kurzfristig auf die Signale meines Körpers reagieren kann (mich z.B. gleich hinlegen kann, wenn ich müde bin). Doch ist es für mich auch das einzige gewesen, das ich in den letzten Wochen selbst unternehmen konnte, um meine akuten körperlichen Symptome zu lindern. Dafür bin ich überaus dankbar. Doch soll das nicht heißen, dass man nicht auch im normalen Alltag damit anfangen kann, auf sein Körpergefühl zu hören. Das geht schon mit Kleinigkeiten, z.B. vor dem Einschlafen mal in seinen Körper reinzuhören oder statt einer geplanten Sporteinheit das zu machen, was sich gerade wirklich gut anfühlt. Man kann auch über den Tag seinem Körper ein Versprechen geben, wenn man z.B. müde ist, dass man sich Zeit für die Wünsche des Körpers nimmt, wenn man von der Arbeit zuhause ist.

Ich hoffe, dass ich mich auch in Zukunft immer an folgendes erinnern werde:

Ich bin dankbar für meinen Körper.
Ich liebe ihn und möchte ihn gut behandeln.
Nur durch ihn lebe ich und kann all diese tollen Erfahrungen machen.

Ich hoffe, dass auch ihr wieder zu eurem Körpergefühl zurückfindet, wenn ihr das Gefühl haben solltet, dass ihr es verloren habt. Hört auf, euren Körper verstehen zu wollen und fangt an, ihn wieder zu fühlen.

14 Comments

  • Wie schön, dass es dir wieder besser geht – und irre, dass man seine scheinbar kranke Psyche "heilen" kann, indem man sich einfach eine Auszeit nimmt.
    Ich neige auch zu diesem Druck, schreibe gerade meine Bachelorarbeit, will aber auch viel Sport machen, mich perfekt ernähren – manchmal muss ich mich richtig zusammen reißen und mir sagen: Nein, konzentriere dich einfach nur aufs Studium, das ist in 2 Monaten vorbei und dann kannst du wieder körperlich perfektionistisch werden, aber alles zusammen funktioniert nun mal nicht.

  • Liebe Lisa,

    Vielen Dank für deinen Kommentar.
    Auch, wenn es mir mit den körperlichen Symptomen besser geht, so sind die eigentlichen Ursachen noch nicht gelöst. Ich habe immer noch tiefe emotionale Wunden, die alles andere als geheilt sind und die ich auch nicht im Alleingang heilen kann. Doch war es ein erster wichtiger Schritt für mich, dafür zu sorgen, dass es mir körperlich wieder besser geht, um mehr Kraft für den intensiven Heilungsprozess zu haben, der noch vor mir liegt und bald beginnt. Um es in deinen Worten zusagen: Meine Psyche ist also nicht nur scheinbar krank (auch wenn das ein sehr hartes Wort ist), sie ist es wirklich und sie ist auch noch nicht geheilt.

    Bitte nimm dir nicht vor, Perfektionistisch zu werden! Perfektionismus hat immer was mit Kontrolle und scheinbarer Sicherheit zu tun – das wird mir immer mehr bewusst. Übe dich vielmehr im Vertrauen auf dein Herzen und im Loslassen.

    Alles Liebe
    Julia

  • Liebe Julia,

    aus tiefsten Herzen, freue ich mich für Dich, das es Dir langsam wieder besser geht. Ich fieber schon immer etwas mit, wenn Du so über das was in Dir und mit Dir vorgeht mit, denn ich erkenne mich in vielen Dingen wieder. Ich hatte Dir ja damals geschrieben, das ich eine tolle Heilpraktikerin in Stuttgart kenne, die auch viel mit " Energie" macht bzw schafft Blockaden zu lösen ( auf allen Ebenen) . Ich kann Dir falls Du noch Interesse hast gerne per Mail Ihren Namen zu senden. Ich habe mich nach damals irgendwie nicht getraut… und hatte hier daheim viel Stress mit den zwei Lausbuben :-)))

    LG, Sandra

  • Liebe Sandra,

    vielen Dank für deine lieben Worte.

    Ich habe auf jeden Fall noch Interesse an deiner Heilpraktikerin. Schicke mir den Namen gerne an info@balance-akt.de zu.

    Ich hoffe, deine beiden Lausbuben tanzen dir nicht zu sehr auf der Nase rum. 🙂

    Alles Liebe
    Julia

  • Hallo Julia,

    Es ist schön das Du zu Deinem Körpergefühl zurück gefunden hast.
    Ich glaube auch das viele von uns das verlern haben, mich auch eingeschlossen. Ich erkenne mich in Deinem Post in vielem wieder.
    Es ist nicht immer leicht auf seinen Körper zu hören bzw. die Signale richtig zu deuten. Das Bedarf tatsächlich einiger Übung und in sich hinein hören.
    Ich selbst habe mich einfach in letzter Zeit auch zu sehr damit gestresst – du musst dich gesund ernähren, du musst wieder abnehmen, du musst wieder regelmäßig zum Sport. Und durch dieses müssen ist alles ins Gegenteil gerutscht!
    Ich versuche jetzt in vielen, kleinen Schritten alles langsamer und gelassener anzugehen und mich nicht dem Druck des müssens oder Perfekt machen wollen auszusetzen. Wenn ich keine Lust auf Sport hab oder zu müde bin ist das ok. Das klappt noch nicht immer, ich lass mich noch zu schnell wieder abbringen oder stressen, aber es geht in die richtige Richtung!
    Mir hilft es gerade mich zb mit der Achtsamkeit oder Meditation zu beschäftigen. Und mir einfach mal Zeit für mich nehmen wenn ich nach Hause komme und nicht gleich dort weiter los wusel.

    Liebe Grüße
    Jenny

  • Hi Julia,

    es ist schon mal wieder so ausführlich etwas von dir zu dir zu hören. Es klingt wirklich großartig, was du geschafft hast. Ich habe vor ein paar Tagen auch das Buch BodyBlessing zuende gelesen und fand es genauso fantastisch wie du! Da hat die Sue uns wirklich einen tollen Tipp gegeben.

    Im Alltag lässt sich Body Blessing zwar von seinen Grundsätzen beherzigen, aber es ist gerade in stressigen Zeiten ganz schwierig. Ich habe das Gefühl die Stimme des Körpers wird dann auch immer leiser bzw. das Ego immer lauter. Das habe ich in den letzten 1,5 Wochen bei mir so wahrgenommen. An stressigen Arbeitstagen fiel es mir so schwer, abends überhaupt nachzuhorchen, was mein Körper sich wünscht. Als ich dagegen z.B. letzten Freitag frei hatte, war es ganz anders. Ich bin den ganzen Tag auf einer Welle des Einklangs mit meinem Körper und meiner Seele geschwebt.

    Ich will mal schauen, wie sehr ich es für mich verinnerlichen kann. Ich wünsche es mir auf jeden Fall sehr!

    Liebe Grüße

    Kristin

  • Hallo Jenny,

    Achtsamkeit und Gelassenheit sind auch hier der Schlüssel zum Erfolg.
    Ich hoffe, du findest den richtigen Weg für dich!

    Liebe Grüße
    Julia

  • Hallo Kristin,

    es stimmt: Gerade in stressigen Zeiten lassen wir allzu leicht das Ego das Steuer übernehmen, denn es passt vielmehr zu der Hektik und dem Lärm, von dem wir dann umgeben sind. Die Stimme deines Körpers genauso wie die Stimme deiner Herzens ist sehr leise und man muss oft zuerst zur Ruhe kommen bzw. in die Stille gehen, bevor man sie wieder wahrnehmen kann.
    Auch hier gilt für mich wieder das Prinzip: Jeder noch so kleine Schritt zählt. Mal wird es besser funktionieren, mal schlechter. Doch wenn man dran bleibt, wird es langfristig immer einfacher klappen. Wichtig ist doch, dass man sich immer wieder daran erinnert – und wenn man dafür einen Zettel am Badezimmerspiegel braucht.

    Alles Liebe
    Julia

  •  Ok, dann hatte ich das wohl etwas falsch verstanden – trotzdem hast du schon tolle Fortschritte gemacht. Ich hoffe, dass du den Rest auch in den Griff bekommst!

    Mit deinen Gedanken zum Perfektionismus hast du recht – da muss ich aufpassen. Wenn man alles auf einmal und richtig machen will, schafft man am Ende nichts davon.

    Liebe Grüße
    Lisa

  • Hallo,
    Wenn ich dies so lese, wird mir einiges klar….
    Anfang des Jahres ging es so weit, dass ich mehrere Monate erschöpft krank war und eine Kur machen musste.
    Dass die ständigen Kränkeleien jetzt vielleicht wieder ein Vorbote sein könnten, kommt mir durch Dich nun in den Sinn.
    Mehrmals in letzter Zeit habe ich schon wieder drüber nachgedacht, dass mich alles irgendwie wieder stresst. Aber man möchte es ja auch nicht zu laut sagen, seit dem Jahresanfang hab ich ja schon einen Gang zurückgeschaltet, und man will ja auch nicht als "unfähig oder überfordert" dastehen.
    Aber durch Deinen Artikel ist es mir bewusst geworden! Ich brauche mehr Ruhe für mich! Und die werde ich mir gönnen, wann immer ich kann!
    Danke!
    Nina

  • Hallo Nina,

    das freut mich, dass dir der Post neue Impulse gegeben hat!
    Ich weiß, wie schwierig es ist, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr mit dem Standard mithalten zu können oder dort nicht richtig reinzupassen. Dieser Weg ist eben nicht für alle von uns geeignet und manche von uns – ich eingeschlossen – müssen wahnsinnig viel Energie aufbringen, um mithalten zu können, ohne dass Energie von innen heraus selbstständig nachfließt. Und so gehen eben die Batterien leer.

    Je mehr man dagegen ankämpft, desto mehr Energie muss man aufwenden. Es ist also ein Teufelskreis. Und dein Körper wird sich irgendwann die notwendige Ruhe einfach nehmen, wenn du sie ihm nicht freiwillig gibst. In der körperlichen Ruhe wirst du auch in deinem Geist zur Ruhe kommen, was dir zu einer noch tieferen Entspannung führen kann.

    Ich wünsche dir, dass du deinen Weg findest!
    Julia

  • Das Buch habe ich auch! Und liebe es! Und verleihe es gerne an andere – momentan liest es eine Freundin, die immer so schreckliche Rückenschmerzen hat. Das Buch ist ein Geschenk!

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